Schlusswort

Wie sich während der Quellensuche gezeigt hat, ist der Diskurs über Social Media im Museumssektor noch sehr jung. Es bestehen darum noch grosse Lücken. Während es immerhin bereits Literatur zu Best Practisefür Unternehmen gibt, sind AutorInnen, die über Nutzen, Chancen und Risiken für die Gesellschaft und verschiedene Geschäftsmodelle debattieren, allgemein rar. Noch vor einem halben Jahr haben sich nur wenige Blogs, erste Forschungsinstitute und Konferenzen mit solchen Themen insbesondere in Bezug auf den Museumssektor beschäftigt. Aus diesem Grund wurden viele unterschiedlichen Quellen konsultiert und immer wieder mussten Inhalte aus einem anderen Kontext auf den Museumssektor übertragen werden. Folglich ist die Entwicklung eines State of the Art nicht nur für den Museumssektor, sondern ganz im Allgemeinen noch im Gange. Gemessen an der Dringlichkeit dieses Themas ist es überraschend, dass bis heute noch nicht mehr Fachliteratur publiziert wurde.

Social Media bieten, wie in Kapitel 2 erörtert, eine ganze Reihe von Chancen für Museen. Diese können sich mit den z.T. riesigen sozialen Netzwerken auf dem Internet verbinden. Aufgrund der Beschaffenheit dieser Sites und speziell dank Netzwerkeffekten können Museen ihre Botschaften kostengünstig, unmittelbar und verhältnismässig gezielt vermitteln. Im Gegensatz zu den klassischen Kommunikationsmitteln (wie z.B. statische Websites und schriftliche Offline-Kommunikationsmittel) kann per Social Media ein direkter Kontakt zu den LeserInnen aufgebaut werden. Durch die Möglichkeit zum Dialog wird die Kommunikation mit den BesucherInnen unmittelbarer, authentischer sowie persönlicher und selbst die direkte Kollaboration wird möglich. Ebenfalls haben sich diese sozialen Netzwerke als geeignet erwiesen, um Informationen über die Meinungen, Erwartungen und Bedürfnisse seiner Mitglieder zu ermitteln. Auf das, was im Internet über das Museum gesprochen wird, kann folglich gehorcht und reagiert werden.

Doch diese neuen Kommunikationswerkzeuge sind komplex. Wie die Untersuchung der beiden Institutionen ebenfalls gezeigt hat, ist ein erfolgreicher Umgang mit Social Media nicht ohne Tücken. Um die Netzwerkeffekte dieser Sites zu nutzen, müssen Beiträge nicht nur regelmässig publiziert werden, sondern diese müssen die Sprache des Netzwerks sprechen, abwechslungsreich und für die LeserInnen bereichernd sein sowie zur Interaktion oder gar Kooperation einladen. Beiträge können aber nicht nur verteilt, sondern auch aufgenommen, abgeändert und weitergeleitet werden. Einhergehend mit dem Paradigmenwechsel von der reinen Schriftlichkeit zu einem schriftlichen Medium, das nach den Regeln der Mündlichkeit funktioniert, bedeutet dies für ein Museum ab einem gewissen Punkt ein Kontrollverlust über die auf dem Internet ursprünglich publizierte Botschaft. Dementsprechend kann eine falsch ausgelegte Botschaft höchstens im direkten Dialog, z.B. über Kommentare nochmals beeinflusst werden. Ebenfalls ist zu beachten, dass sich schlechte Beiträge im Netzwerk wie negative Gerüchte in der gesprochenen Sprache deutlich schneller verbreiten und länger halten als andere Inhalte. Die eigene, gute Reputation ist darum einfach zu verlieren. Weiter muss sich eine Institution überlegen, wie sie Social Media ihren MitarbeiterInnen zugänglich machen will. Es braucht neue Richtlinien und Regeln für die Nutzung solcher Werkzeuge am Arbeitsplatz. Zusätzliche Herausforderungen sind die Datensicherheit, Gewährleistung der Privatsphäre, Ethik und rechtliche Gesichtspunkte wie Autorenschaft und Copyright.1 Alles in Allem braucht es ein grosses Mass an Engagement, eine durchdachte Strategie, klar definierte Ziele und Richtlinien. Die Zeiten der Experimente sind also vorbei. Ein schlechter Auftritt auf einer Social Media Site kann das Ansehen eines Museums genauso schädigen wie ein schlechter Artikel oder eine mangelhafte Anzeige in einer Zeitung.

Der Vergleich des MoMA mit der Serpentine ist um einiges spannender ausgefallen, als ursprünglich erwartet. MoMAs Umgang mit den Social Media hat sich als überaus erfolgreich erwiesen. Dem gegenüber ist der Erfolg der Serpentine, gemessen an ihrem innovativen Ausstellungs- und Vermittlungsprogramm, bescheiden. Überraschend waren auch die Erkenntnisse aus den beiden Fragebogen. Mit Bezug auf die Praxis der beiden Museen war zu erwarten, dass das MoMA einen sehr versierten Diskurs über Social Media führt und die Serpentine diese Themen eher spärlich behandelt. Doch das Gegenteil liess sich aus den Antworten auf den Fragebogen ableiten. Während also die Serpentine einen vertieften Diskurs pflegt und davon kaum etwas in die Tat umsetzt, hat sich das MoMA auf die Anwendung dieser Werkzeuge gestürzt und offensichtlich über die Jahre einen überzeugenden Umgang mit ebendiesen entwickelt.

Da ich während meiner Arbeit auf keinen konkreten Vorschlag zum Umgang von Museen mit Social Media stiess, war es mir ein Anliegen, eine konkrete Empfehlung auszuarbeiten. Aus den Erkenntnissen der Analyse aus dem Kapitel 3 und meiner Best Practise-Empfehlung aus Kapitel 4 folgere ich, dass es den „einen“ richtigen Umgang mit Social Media jedoch nicht gibt. An der Vielzahl der Literatur über Best Practise für unterschiedlichste Unternehmensfelder lassen sich meiner Meinung nach nicht nur die verschiedenen Standpunkte ablesen, sondern dass für jede Branche, jedes Unternehmen und deshalb auch für jedes einzelne Museum andere Regeln zu definieren sind, um erfolgreich durch die komplexe Welt der Social Media zu navigieren. Im Rahmen meiner Arbeit musste ich die Ausarbeitung der Empfehlung jedoch auf ein allgemeines Grundgerüst beschränken. Das Ergebnis soll als Inspirationsquelle dienen. Möchte man diese Empfehlung tatsächlich umsetzen, sind konkrete Anpassungen und weitere Verfeinerungen unumgänglich.

Um den möglichen Wert und damit die Relevanz von Social Media für ein Museum zu erörtern sind meiner Ansicht nach drei Fragen zu beantworten: 1. Ist es möglich die relevanten Zielgruppen über diese Kanäle zu erreichen? 2. Lassen sich die Möglichkeiten eines Social Media-Werkzeugs auch effektiv für ein Museum und seinen Auftrag nutzen? 3. Kann und möchte ein Museum die nötigen Ressourcen für die Betreuung solcher Kommunikationswerkzeuge aufbringen? Die erste Frage lässt sich positiv beantworten, denn wie das MoMA beweist, können mit Social Media eine grosse Zahl an InternetnutzerInnen und damit höchstwahrscheinlich auch grosse Teile der relevanten Zielgruppen angesprochen sowie mit den eigenen Botschaften erreicht werden. Wie in Kapitel 2 dargelegt, können Strategien und Modelle des Marketing respektive Kulturmarketing und insbesondere Social Media-Marketing helfen, mit diesen neuen Kommunikationsformen umzugehen, und die Ziele wie auch Aufträge eines Museums zu erreichen oder gar zu übertreffen. Da jedoch Marketingstrategien genauso wie die Social Media für die meisten Museen Neuland sind, kann von diesen Möglichkeiten nicht ohne die Bereitschaft zur Innovation profitiert werden. Zu guter Letzt müssen sich die verantwortlichen Personen eines Museums fragen, ob es möglich ist und sie Willens sind, die nötigen personellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen zur Umsetzung und Betreuung solcher Social Media-Werkzeuge zur Verfügung zu stellen. Umso kleiner das Budget ist, desto zurückhaltender sollte die eigene Präsenz sein. Social Media können für Museen sehr wertvoll sein, sei es für das Social Networking, zur Verbreitung von Inhalten oder zur Interaktion und Kooperation mit dem eigenen Publikum.

Ist der Umgang mit Social Media für Museen also nicht nur relevant, sondern sogar zwingend? Zu diesem Zeitpunkt definitiv noch nicht! Der kulturelle Auftrag und das Kerngeschäft eines Museums können nach wie vor ohne Social Media bestellt werden. Diese neuen Kommunikationswerkzeuge sind folglich keine Garantie zum Erfolg für eine Institution. Doch wie die Autorin Tamar Weinberg sagt: „Egal ob Sie sich in Social Media engagieren oder nicht, es wird ohnehin über Sie diskutiert.“2 Als Akteur eröffnet sich die Möglichkeit, solche Diskussionen aufzudecken, zu beeinflussen und Lehren aus diesen zu ziehen. Es können neue Kontakte geknüpft, Beziehungen zu BesucherInnen gefestigt, Meinungen eingeholt, Probleme aufgedeckt und vielleicht sogar Missverständnisse geklärt werden.

Social Media wird in der westlichen Welt von allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen erobert. Junge Menschen wachsen heute mit diesen neuen Kommunikationsformen auf. Der Umgang mit Facebook, Twitter, Blogs und Co. gehört für viele zum Alltag. Es ist zu erwarten, dass Social Media bald ein so unersetzlicher Bestandteil unseres Privat- und Geschäftslebens ist wie das Mobiltelefon. Mit zunehmender Akzeptanz dieser Technologien und Kommunikationsformen steigt der Druck auch auf Museen, mit diesen zu arbeiten. Im Vorteil sind diejenigen Institutionen, welche sich im Vorfeld mit diesen Entwicklungen auseinandergesetzt haben, oder bereits ihren eigenen Auftritt und ihr eigenes Netzwerk pflegen. Davon abgesehen werden, Social Media-Art, Social Media-Kommunikation usw. ihren Platz auch in den Sammlungen von Museen als wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft finden. Wie sich solche immateriellen, musealen Objekte sammeln und ausstellen lassen, sei Gegenstand einer anderen Arbeit. Doch dies ist nicht das einzige Themenfeld in dieser Arbeit, das lediglich angeschnitten wurde. Es lassen sich noch viele weitere, spannende Untersuchungen anstellen und wissenschaftliche Arbeiten schreiben: so z.B. zu den Themen Web 2.0 für den Museumsbetrieb, Vermittlung und Social Media, das Interventionspotenzial von Web 2.0-Werkzeugen in Ausstellungen usw.

Aber was ist nun mein persönliches Fazit aus dieser Arbeit? Wie in der Einleitung bereits dargelegt, verbindet mich vieles mit der bearbeiteten Thematik, und Social Media gehören seit Jahren zu meinem Alltag. Anfangs hätte ich darum am liebsten das Kapitel Grundlagen ausgelassen und mich direkt auf die Analyse der beiden Institutionen gestürzt. Doch wie sich rasch gezeigt hat, liess sich eine fundierte Analyse der beiden Institutionen ohne klar definierte Grundlagen überhaupt nicht bewerkstelligen. Dies wurde noch zusätzlich verstärkt durch das Fehlen von vergleichbarer Literatur, wodurch ich viel öfters als erwartet Inhalte ableiten, in einen neuen Kontext setzen und da wiederum legitimieren musste. Schliesslich habe ich mit dem Kapitel 2 viele eigene Wissenslücken aufgedeckt und mit verschiedenen Vorurteilen aufgeräumt. So z.B. war ich anfangs fest der Überzeugung, dass mit Social Media noch für die nächsten fünf bis zehn Jahre nur Menschen bis und mit 30 erreicht werden können und war überrascht, dass sich Twitter so herausragend für Kundenservice eignet. Während der Analyse der beiden Institutionen wurde ich überwältigt vom erfolgreichen Umgang des MoMA mit Facebook. Noch nie habe ich eine Facebook Page mit einer halben Million Mitgliedern gesehen, welche auf die pro Woche gut sechs publizierten Beiträge jeweils 450 Reaktionen erhält. In diesem Sinne widerlegt das MoMA meine These in der Einleitung, dass Social Media von Museen unterschätzt werden. Aber mit Blick auf die Serpentine und auch auf weitere Institutionen wie das Londoner Tate, das Wiener MUMOK, das Zürcher Kunsthaus, das Museum Tinguely Basel, das Zentrum Paul Klee in Bern usw. erscheint das MoMA eben doch als die Ausnahme, welche die Regel bestätigt.

1Deans; Ali (2009): 44; Burkhardt (2009): 12-13; sowie ergänzend Spiller (2010): 272.

2Weinberg (2010): 147.

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Du findest die gesamte Arbeit als PDF zum anschauen und downloaden unter: http://issuu.com/pgArt/docs/museum2.0

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